Hallo Kay, würdest du dich einmal kurz vorstellen? Wer du bist, was du tust und wie es dazu kam ...
Kay Schwarz: Klar, mein Name ist Kay Schwarz, besser bekannt als KaySchwarz157. In der Kunstszene trete ich auch unter verschiedenen anderen Künstlernamen auf, wie dk76, Zarathustra157, Karacho157, die jeweils unterschiedliche Aspekte meiner künstlerischen Identität und meiner Geschichte widerspiegeln.
Meine künstlerischen Wurzeln liegen in der Graffiti-Szene der 90er Jahre in Leipzig. Heute verstehe ich mich als bildender Künstler, arbeite hauptsächlich auf Leinwand und stelle meine Werke in Galerien aus.
Zusätzlich biete ich Unternehmen die Möglichkeit, meine Kunstwerke zu mieten, um temporäre kreative Akzente in ihren Räumen zu setzen. Nach meiner Ausbildung als Energie-Elektroniker habe ich später Design studiert und mein Studium mit einem Diplom abgeschlossen. Diese fundierte Ausbildung prägt meine Arbeit bis heute.
Dein Lebenslauf ist ja ziemlich bunt, was war deine größte Inspiration, um mit Graffiti anzufangen?
Kay Schwarz: Die tristen Betonlandschaften in Leipzig-Grünau und die Atmosphäre der Nachwendezeit haben mich stark beeinflusst. Damals war Graffiti für mich die Möglichkeit, mich in dieser anonymen Umgebung auszudrücken und die Stadt nach meinen Vorstellungen zu gestalten. Die Graffiti-Subkultur der 90er Jahre bot mir einen Raum für künstlerische Freiheit und den Reiz des Verbotenen, der mich lange angetrieben hat.
Gibt es eine spezielle Ausbildung für diesen Beruf oder ist es eher eine Frage des "learning by doing”?
Kay Schwarz: Es ist beides. In der Graffiti-Szene ist "learning by doing" der Standard. Man lernt autodidaktisch durch Ausprobieren und Experimentieren, wobei Crews und Mentoren eine zentrale Rolle spielen. Für mich war meine Crew B?A?5? entscheidend, durch sie habe ich Techniken und die nötige Haltung entwickelt.
Diese autodidaktische Entwicklung von Formen und Farben habe ich später durch ein Designstudium ergänzt, das mein Farb- und Formverständnis auf ein akademisches Niveau gehoben hat. So konnte ich meine Erfahrungen aus der Graffiti-Szene mit fundierten theoretischen Kenntnissen kombinieren und eine eigene, professionelle Arbeitsweise entwickeln.
Wie würdest du dich selbst beschreiben - siehst du dich eher als Künstler, Maler oder in einer ganz anderen kreativen Rolle?
Kay Schwarz: Heute sehe ich mich klar als bildenden Künstler. Meine Arbeiten sind nicht nur Ausdruck meiner persönlichen Erfahrungen, sondern auch eine Reaktion auf den Raum und seine Kontexte.
Der Fokus liegt mittlerweile auf der Leinwand, doch der urbane Raum bleibt ein essentieller Einfluss. Mein Stil verbindet grafische Klarheit und architektonische Elemente, oft reduziert auf prägnante Linien und Formen.
Wie wählst Du die Orte für Deine Arbeiten aus? Arbeitest Du mehr im öffentlichen Raum oder auf privatem Gelände?
Kay Schwarz: Früher waren die Orte meist spontane Entscheidungen – Abstellgleise, verlassene Fabriken, Betonflächen. Heute liegt mein Fokus mehr auf der Galeriearbeit, aber wenn ich im öffentlichen Raum tätig werde, dann in Kontexten, die Raum für meine künstlerische Vision bieten. Oft sind das Auftragsarbeiten auf privatem Gelände oder für Unternehmen, die meine Werke temporär mieten möchten.
Welche Materialien und Techniken verwendest Du hauptsächlich für Deine Werke?
Kay Schwarz: Für meine Leinwandarbeiten verwende ich Acrylfarben, Sprühlack und Marker. Diese Materialien erlauben mir, meine Motive mit klaren, reduzierten Linien und intensiven Farbkombinationen umzusetzen. Bei Wandgestaltungen greife ich ebenfalls auf Sprühlack und Acryl zurück, um Tiefe und Struktur zu erzeugen.
Sind es besondere Farben, mit denen du arbeitest?
Kay Schwarz: Meine Farbpalette ist geprägt von kräftigen Rot-, Blau-, Schwarz- und Weißtönen. Eine zentrale Rolle spielt Pink, das für mich Energie, Wandel und ein gewisses Maß an Provokation verkörpert. Pink bringt eine intensive Lebendigkeit in meine Werke.
Gleichzeitig taucht aber auch Gelb immer wieder auf und ist wichtig, um das 'Jetzt', das Leben und Emotionen zu symbolisieren. Gelb bildet dabei einen Kontrast zur oft grauen Realität und ergänzt die Dynamik meiner Arbeiten.
Wie wird so ein Graffiti haltbar gemacht?
Kay Schwarz: Nach der Fertigstellung wird das Wandgemälde in der Regel mit einem UV-beständigen Schutzlack versiegelt. Dadurch bleiben die Farben länger frisch und das Kunstwerk ist besser vor Witterungseinflüssen geschützt.
Bestehen Gefahren durch äußere Umwelteinflüsse, zum Beispiel Abgase, wie bei Fassaden, die in der Stadt verdrecken?
Kay Schwarz: Absolut, Umwelteinflüsse wie Abgase, Regen und Vandalismus stellen eine Herausforderung dar. Die richtige Versiegelung und regelmäßige Pflege sind hier entscheidend, um die Haltbarkeit zu gewährleisten. Dennoch bleibt eine gewisse Vergänglichkeit ein Teil dieser Kunstform, was sie dynamisch und spannend macht.
Wie oft musst Du deine Graffitis nacharbeiten?
Kay Schwarz: Das hängt von den äußeren Bedingungen ab. In der Vergangenheit musste ich oft nacharbeiten, heute jedoch liegt mein Fokus eher auf der Arbeit im Atelier und auf der Leinwand, wo die Kontrolle über das Werk größer ist.
Gibt es die Möglichkeit, Gebäude kleiner/größer wirken zu lassen oder reine Flächen aufzulockern mit Fenster-Imitaten und 3D-Malereien?
Kay Schwarz: Ja, durch gezielte perspektivische Verzerrungen und Schattierungen lassen sich solche Effekte erzeugen. Mein Stil ist zwar eher grafisch und reduziert, doch ich arbeite gern mit architektonischen Elementen, um Räume neu zu definieren und eine Interaktion zwischen Werk und Betrachter zu schaffen.
Könntest Du uns von einigen Deiner lukrativsten oder größten Projekte erzählen, die dich am meisten erfüllt haben?
Kay Schwarz: Ein besonders erfüllendes Projekt war eine großflächige Wandgestaltung für das Westwerk Leipzig, einem Kunstquartier und Offspace in der Karl-Heine-Straße 85–93 in Leipzig-Plagwitz. Hier konnte ich meine charakteristischen Kopfstudien im Großformat über ein ganzes Gebäude ziehen, das auf dem Gelände des Westwerks steht.
Die Herausforderung bestand darin, meine urbane Ästhetik in diesen künstlerischen Kontext zu integrieren und die Kopfstudie über die gesamte Fassade zu erstrecken. Unterstützt wurde ich dabei von der RITZSCH CROO, und gemeinsam haben wir das Haus rundum zusammenhängend gestaltet.
Mein lukrativstes Projekt war jedoch ein Auftrag für die Stadtwerke Leipzig. Sie haben eine neue Trafostation gebaut, und ich hatte die Gelegenheit, die komplette Rundumgestaltung der neuen Trafostation zu übernehmen. Das bedeutete, dass ich nicht nur eine einzelne Wand, sondern das gesamte Gebäude künstlerisch gestaltet habe.
Die Aufgabe, funktionale Infrastruktur mit meinen künstlerischen Motiven zu verbinden, war nicht nur kreativ reizvoll, sondern hat mir auch gezeigt, wie Kunst und urbanes Design auf besondere Weise zusammenwirken können.
Wie beeinflusst die aktuelle wirtschaftliche Lage, insbesondere die Inflation, dein künstlerisches Schaffen? Und wie gehst du bei der Preisgestaltung deiner Werke vor, um den steigenden Kosten gerecht zu werden, ohne deine Kunden zu verlieren?
Kay Schwarz: Die steigenden Materialkosten aufgrund der Inflation beeinflussen natürlich meine Preisgestaltung. Um dennoch flexibel zu bleiben, biete ich Unternehmen die Möglichkeit, meine Werke temporär zu mieten. Das schafft einen Mehrwert für beide Seiten und ermöglicht es, Kunst auf eine neue Weise zu erleben.
Welche Rolle spielen Genehmigungen und rechtliche Absicherung bei Deiner Arbeit?
Kay Schwarz: Genehmigungen sind bei Auftragsarbeiten im öffentlichen Raum unerlässlich. Ich arbeite eng mit Auftraggebern und Behörden zusammen, um alle rechtlichen Aspekte im Vorfeld zu klären. Das gibt mir Sicherheit und den Raum, mich ganz auf die künstlerische Umsetzung zu konzentrieren.
Gibt es aktuelle Trends oder neue Technologien, die Du spannend findest?
Kay Schwarz: Definitiv! Eine der spannendsten Entwicklungen ist für mich der Einsatz von Beamern. Mit ihrer Hilfe kann man Entwürfe auf Wände projizieren, skalieren und anpassen, bevor die eigentliche Arbeit beginnt. Das ermöglicht eine präzise Übertragung meiner Motive und spart enorm viel Zeit beim Umsetzen großformatiger Arbeiten. Diese Technologie bietet nicht nur eine hohe Flexibilität, sondern auch die Möglichkeit, komplexe Kompositionen detailliert zu planen und auf der Wand auszurichten, bevor ich mit den Farben und Sprühdosen loslege.
Parallel dazu verwende ich Grafikprogramme für Farb- und Formstudien, um meine Bildentwicklung zu verfeinern. Dadurch kann ich verschiedene Farbvariationen und Kompositionen digital ausprobieren, bevor ich den physischen Prozess beginne. In Kombination entsteht so eine effektive Symbiose zwischen analogem und digitalem Arbeiten, die es mir ermöglicht, meine Motive sowohl technisch präzise als auch kreativ frei umzusetzen.
Vielen Dank, Kay für diesen tollen Einblick in eine komplett eigene Welt der Fassadengestaltung!
Kay Schwarz: Ich danke euch! Viele Grüße aus LeipzigCity.
(sd)